Trauer um Friedrich Cerha

Friedrich Cerha: Nachtgesang (1984/85)
Friedrich Cerha (c) Hertha Hurnaus

Seine künstlerischen Vorstellungen umzusetzen war für Friedrich Cerha eine lebenslange Notwendigkeit, der er trotz damit verbundener Anstrengungen, bis zu seinem Tod nachkommen durfte. Nicht nur im künstlerischen Werken und Wirken, sondern auch in der zwischenmenschlichen Begegnung wurde Cerhas außergewöhnliche Persönlichkeit erlebbar, bei der jeder Versuch einer Kategorisierung ins Leere läuft. Cerhas umfangreicher Vorlass, der bereits 2011 in die Sammlung des Archivs der Zeitgenossen übernommen wurde, dokumentiert nicht nur das acht Jahrzehnte umspannende künstlerische Schaffen des Komponisten, ebenso wie sein an Erfahrungen reiches Leben. Gemeinsam mit seiner Frau Gertraud war Friedrich Cerha bis ins hohe Alter immer bereit, die Forschung im Archiv der Zeitgenossen zu unterstützen: durch seine Präsenz bei Kolloquien und Tagungen, durch Hilfe bei der Kontextualisierung von Archivalien und als Gesprächspartner bei Publikumsveranstaltungen. Sein scharfer Geist, seine Eloquenz und sein feiner Humor werden uns genauso in Erinnerung bleiben wie seine wertschätzende Haltung und das Vertrauen, das er unserer Arbeit entgegenbrachte.

Wir bedauern sehr, dass Friedrich Cerha nicht mehr bei uns ist, und sind gleichzeitig dankbar für die vielen bereichernden Begegnungen der letzten Jahre. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie, allen voran seiner Frau Gertraud und seinen beiden Töchtern Irina und Ruth.

 

Mein Gott, gewähre mir,

daß ich mich mit meinen Ideen einhülle

wie mit dichten, weichen Geweben,

in denen ich mich meinem Tun

hinschenken kann

von der Freiheit des Morgens

bis zur Müdigkeit des Abends.

 

Du hast mir,

um den andern gegenüberzutreten

die Farbe gegeben

und das Licht und den Klang.

Das sind die Werkzeuge, die mich retten,

die mir erlauben mein Haus zu bauen,

nach innen auszustatten mit den

quellenden Formen von Wasserpflanzen,

 

das Außen aber abzuwehren

mit der schweigenden Härte

des abgespaltenen Steins,

hinter dem sich die Sprache verbirgt;

eine Härte, die mich auslaugt,

obwohl sie mich leicht macht

und schützt vor dem Sturz.

 

Wenn ich einmal alt sein werde,

dann endlich wird mir die lächerliche Steifheit

der Formen eine Zuflucht sein,

die Sinnlosigkeit des Grußes,

das Lob des Köpfewiegens,

das Haltlose des Schrittes

und die Hilflosigkeit des Lallens,

unbefristet.

Friedrich Cerha, Text zu Nachtgesang (1984/85), Handschrift, AdZ-FC, 000S0088/4