Gerhard Jaschke hat als Künstler und Verleger die österreichische Literaturlandschaft über Jahrzehnte hinweg geprägt, gefördert und unermüdlich herausgefordert. Am 7. April 1949 in Wien geboren, war Jaschke nach der Matura und nicht abgeschlossenem rechtswissenschaftlichem Studium ab 1970 künstlerisch und publizistisch vorwiegend in Wien aktiv.
Mit der Zeitschrift „Freibord“, die er 1976 gemeinsam mit Ingrid Wald, Bernt Burchhart, Wolfgang Hemel, Camillo Schaefer und Hermann Schürrer gründete, schuf Jaschke als bald alleiniger Herausgeber ein Medium für den literarischen Underground, in dem vom Überraschenden bis zum Unerwünschten alles ein publizistisches Zuhause fand. Via die sogenannte „Weltbude“, dem Redaktionssitz in der Wiener Kutschkergasse, etablierte Jaschke ein Netzwerk aus Künstler*innen, Verleger*innen und Sammler*innen im In- und Ausland und weitete den als zu eng empfundenen heimischen Horizont für die internationale Literatur und Kunst. Fluxus, Dada, experimentelle Literatur, die österreichische Neoavantgarde, psychiatrieerfahrene Kunst, vergessene Jahrhundertwende-Literatur, Aktionismus, bildende Kunst – für alle hielt das „Freibord“ und die bald etablierte „Edition Freibord“ das passende, mal klein und selbstgemachte, mal groß in Leder gebundene, Format bereit. Nach 2009 erschien „Freibord“ in unregelmäßigen Abständen als „firebord“ oder „feribord“, meist im Flugblattformat.
Seine eigene künstlerische Arbeit, die Lyrik, Kurzprosa, Filmdrehbücher, Hörspiele, Zeichnung, Collage sowie alles dazwischen und darüber hinaus wie das Anagramm oder das fluxkit umfasste, stellte Gerhard Jaschke dabei nie ins Zentrum. In ihr zeigte er sich als Sprach- und Formbesessener mit politischem Sensorium, der stets, ob feinsinnig subversiv oder mit wuchtigem Humor, der poetischen Kraft des Alltäglichen nachspürte. Seit den frühen 1970er Jahren sind so über 60 eigenständige Publikationen und zahllose Veröffentlichungen in in- und ausländischen Zeitschriften und Sammelbänden entstanden, viele davon Gemeinschaftsarbeiten, etwa mit seiner Frau, der bildenden Künstlerin Ingrid Wald, dem Herausgeberdichter Werner Herbst oder dem Filmemacher und Objektkünstler Tone Fink. Zuletzt erschien wie nie danach. An- bis Zusätze (Ritter 2022).
Gerhard Jaschkes nonkonformistisches Verständnis literarischer Arbeit spiegelte sich in seiner Mitbegründung der IG Literaturzeitschriften (1978, später: Verein Literaturzeitschriften und Autorenverlage) und dem steten Einsatz für eine zeitgemäße, egalitäre Literaturförderung. Er war Lehrbeauftragter für Literaturgeschichte an der Akademie der bildenden Künste Wien (1986–2009), hielt Poetikvorlesungen an der Universität Innsbruck (1990) und war langjähriger Geschäftsführer der Grazer Autorinnen Autorenversammlung (2006–2015). Für seine Arbeit erhielt er u.a. den V.-O.-Stomps-Preis (1993) und den Niederösterreichischen Würdigungspreis für Literatur (2010). 2018 übergab Gerhard Jaschke seinen Vorlass sowie das „Freibord“-Archiv dem Archiv der Zeitgenossen/Landessammlungen Niederösterreich.
Gerhard Jaschke ist am 8.1.2025 im Alter von 75 Jahren in Wien verstorben. Mit ihm verliert die österreichische Literatur einen ihrer eifrigsten und vielseitigsten Künstler, Verleger und Förderer.